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Arbeiten Pflege-Roboter besser als menschliche Pflege-Kräfte?

Immer für uns da, stets freundlich. Nie müde oder überlastet. Roboter zeigen keine menschlichen Schwächen. Forscher auf der ganzen Welt versuchen, diese Vorteile zugunsten Pflegebedürftiger einzusetzen: als digitale Pflegeassistenten.

Die meisten Menschen wünschen sich, ihren Lebensabend Zuhause zu verbringen. Das hat eine aktuelle Online-Befragung im Auftrag von ERGO Direkt Versicherung bestätigt. 40 Prozent der Befragten lehnen voll oder zumindest teilweise ab, jemals in ein Pflegeheim zu ziehen. Trotzdem möchten 74 Prozent ihrer Familie möglichst nicht zur Last fallen. Digitale Pflegeassistenten erscheinen daher auf den ersten Blick ideal. Schließlich könnten sie uns dabei helfen, so lange wie möglich eigenständig zu leben.

Eine Lösung für den Pflegenotstand?

Die Helfer aus den Techniklaboren könnten auch im Hinblick auf den hohen Bedarf an Pflegepersonal eine Lösung sein. Schließlich nimmt die Zahl der Pflegebedürftigen stetig zu. Aktuell leben 2,46 Millionen pflegebedürftige Menschen in Deutschland. Im Jahr 2050 sollen es fast doppelt so viele sein. Wir werden eben immer älter. Modellrechnungen zufolge, wird jedes zweite Neugeborene in Deutschland seinen 100. Geburtstag feiern. Demgegenüber steht ein enormer Fachkräftemangel. Im Frühjahr dieses Jahres waren in deutschen Pflegeeinrichtungen über 10.000 Stellen offen. Durch diese gegenläufigen Trends entsteht eine klaffende Pflegelücke. Um diese zu schließen, entwickeln Forscher weltweit Roboter mit mehr oder weniger künstlicher Intelligenz. Sie sollen Menschen mit eingeschränkter Mobilität den Alltag erleichtern.

Menschliche Pflege als technische Herausforderung

Die Entwicklung sogenannter Assistenzroboter stellt eine große Herausforderung dar. Denn in der Pflege sind viele Abläufe notwendig, die für einen Menschen intuitiv, für eine Maschine aber hoch komplex sind: Personen müssen erkannt, Medikamente zugeordnet und Termine eingehalten werden. Außerdem kann ein Roboter im Schnitt lediglich etwa zehn Prozent seines eigenen Gewichtes tragen. Folglich müsste ein Assistenzroboter etwa eine Tonne wiegen, um einen ausgewachsenen Menschen zu heben – umkippen darf er natürlich auch nicht. Die Entwicklung geht daher zwei verschiedene Wege. Einerseits arbeitet man an vollwertigen Pflegerobotern, die im Haushalt einer pflegebedürftigen Person zum Einsatz kommen. Andererseits werden Mechanismen entwickelt, die das Pflegepersonal beim Arbeiten entlasten.

Roboter als Wäscher oder Erinnerer

Das Vorzeigeprojekt am Georgia Institute of Technology heißt Cody. Dank spezieller Sensoren ist das Gerät in der Lage, einen Menschen zu waschen. Dabei erkennt Cody Schmutz und kann die Stellen gezielt entfernen, ohne unangenehmen Druck auszuüben. Eine europäische Initiative ist CompanionAble mit dem Assistenzroboter Hector. Der mobile Roboter fügt sich in das Wohnumfeld ein und kann sich frei bewegen. Die Steuerung funktioniert über eine Fernbedienung und einen integrierten Touchscreen. Hector erinnert seinen Besitzer beispielsweise an die rechtzeitige Medikamenteneinnahme, aber auch an die Lieblings-TV-Sendung. Wichtige Gegenstände wie das Portemonnaie oder die Brille bewahrt Hector sicher in einem Korb auf. Über den Bildschirm kann man zudem Videoanrufe tätigen. Im Fall eines Unfalls wie zum Beispiel eines Sturzes kontaktiert Hector eigenständig den angeschlossenen Notfalldienst.

Wenig Akzeptanz für Pflegeroboter

In Deutschland steht man solchen Assistenzrobotern zurzeit jedoch eher kritisch gegenüber. Der ERGO Direkt Online-Befragung zufolge sind nur 23 Prozent der Befragten bereit, sich von einem Pflegeroboter versorgen zu lassen. Eine Mehrheit von 40 Prozent kann sich das gar nicht vorstellen.

Digitale Pflegeassistenten in Japan

In Japan ist man einen Schritt weiter – gezwungenermaßen, denn in keinem anderen Land ist der demografische Wandel so spürbar wie hier. Japan ist das „älteste“ Land der Welt. Der Personalmangel im Bereich der Pflege ist noch eklatanter als in Deutschland. Assistenzroboter sind hier bereits Realität. In über 160 Einrichtungen kommt beispielsweise der Hybrid Assistive Limb (HAL) zum Einsatz. Es handelt sich um eine Art Exoskelett, also einen Anzug, in den man schlüpfen kann. HAL erkennt Muskelimpulse, die von den außen am Körper anliegenden Geräten in Bewegungen umgesetzt werden. Mit dieser maschinellen Unterstützung können Querschnittsgelähmte gehen und ein Stück weit ihre Unabhängigkeit zurückgewinnen. Auch Pflegekräfte nutzen das Gerät, um damit schwere Personen zu heben. Pflegekräfte leiden nämlich viel häufiger unter Rückenproblemen als alle anderen Berufe.

Roboter in der Demenztherapie

In Japan kommt noch ein weiterer Pflegeassistent zum Einsatz: der Therapieroboter Paro. Das Gerät wirkt auf den ersten Blick wie ein Stofftier in Form eines Seehundbabys und wurde speziell für Demenzkranke entwickelt. Der Roboter reagiert auf Berührungen, bewegt sich und gibt Laute von sich. Wie bei einer Therapie mit Tieren soll Paro beruhigend auf die Patienten wirken. Gerade bei diesem Projekt wird jedoch häufig die Frage nach der Ethik gestellt. Denn Patienten nehmen Paro als lebendiges Wesen wahr, sprechen mit dem Roboter und entwickeln eine Beziehung zu ihm. Die einen sehen darin eine Gefahr der Isolation und Ausgrenzung älterer oder pflegebedürftiger Menschen – andere einen Segen für die Pflege. Denn wenn Pflegeroboter wiederkehrende Aufgaben ganz oder teilweise übernehmen, bleibt dem Personal mehr Zeit für Menschlichkeit.

Investitionen in Robotertechnologie

In Japan ist man angesichts des Pflegebedarfs trotz ethischer und technologischer Hindernisse vom Nutzen der digitalen Helfer überzeugt. Die Regierung unter Premierminister Shinzo Abe hatte schon im Juni 2013 angekündigt, 2,4 Mrd. Yen (etwa 18,4 Mil. Euro) aus dem Haushalt zur weiteren Entwicklung von Robotern zur Verfügung zu stellen. Auch wenn Japan geografisch gesehen weit weg ist, demografisch ist das Land uns nicht unähnlich: Deutschland hat nach Japan nämlich die zweitälteste Bevölkerung der Welt.

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